Mit der sprache ins Dasein kommen
Wahrnehmungen, Erlebnisse, Erinnerungen, Bilder, Worte, Bewegung, Sprache, Beziehung, Geschichten, Geheimnisse verhindern, verstellen, tauchen auf, zeigen sich, werden aufgegriffen, erkannt, benannt, zugelassen, versteckt, verdrängt, angenommen, losgelassen, weggeworfen, mitgeteilt, geteilt, angesprochen, ausgesprochen, formuliert, vor langer Zeit, irgendwann, damals, einmal, immer wieder, für einen Moment, im Moment, für einen Augenblick, in diesem Augenblick, im Hier und Jetzt.
„Wo immer es um den Menschen geht – und wo ginge es, wenn wir sprechen, nicht um den Menschen? – liegt im Wie der Sprache nicht weniger Gehalt als im Was der Mitteilung.“ (Peer de Smit)
Der Mensch wird gedacht. Wie über ihn gedacht wird, zeigt sich auch in der Art, wie über ihn gesprochen wird.
Wie denn aber? Wie soll eine Sprache sein, die den Menschen meint? Wie soll sie lauten, klingen, tönen, welche Räume soll sie öffnen, welche Bilder soll sie entwerfen und welchen Rhythmen soll sie folgen?
Die Art, wie wir unseren Klientinnen und Klienten in der therapeutischen Begleitung sprachlich begegnen, muss derart von Offenheit und Wertschätzung getragen sein, dass jede Person den Raum erfährt, den sie benötigt, um ihr Wesen, die eigene, wahre Natur im Hier und Jetzt aufgreifen und ausdrücken zu können. (vgl. I. M. Starke)
In der phronetisch kunsttherapeutischen Praxis gibt es neben der spezifisch sprachlichen Begegnung der am therapeutischen Prozess beteiligten Personen eine besondere Form sprachlicher Momente. Dabei handelt es sich um jene Momente, wo die Klientin, der Klient selbst den Gestaltungsprozess, das eigene Erleben des Prozesses und die Gestaltung selbst in sogenannten Benennungen zur Sprache bringt.
Im Rahmen meiner Arbeit als Kunsttherapeutin ist es immer wieder der Moment der Benennung, der mich auf besondere Weise berührt. Diesen Augenblick, in dem es einer Person gelingt, eines oder mehrere Worte auszusprechen, mit denen sie das Wesen dessen begreift, was oder wie sie wahrnimmt, erlebt und handelt, empfinde ich oft als „magisch“.
Was macht die „Magie“ eines solchen Augenblicks aus? Was passiert in jenen Momenten, im Verlauf des phronetisch kunsttherapeutischen Prozesses, in denen ein Akt der Benennung zu einer wahrnehmbaren und erlebbaren Veränderung bei einer Klientin oder einem Klienten im Hier und Jetzt führt?
Benennungen im Rahmen der Kunsttherapeutischen Begleitung beziehen sich darauf, wie eine Person den eigenen Gestaltungsprozess erfährt und die dabei entstandene Gestaltung wahrnimmt und erlebt. Eine Benennung kann nie richtig oder falsch sein, weil sie keine Repräsentation von Gegebenheiten, keine feststellende Aussage darstellt. In Anlehnung an Judith Butler verstehe ich die Benennung im Sinne eines performativen Aktes, durch den der oder die Sprechende neue Gegebenheiten schafft und damit die Möglichkeit, Wirklichkeit zu entwerfen und persönliche Orientierung zu finden.
Hierin, in dem besonderen Moment des Erschaffens, Formulierens und Gestaltens mittels sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten, liegt ein besonderer Zauber und eine Magie, wie ich sie als phronetische Kunsttherapeutin in der Begleitung meiner Klientinnen und Klientin erlebe.